Von der Idee zur Lösung
Das Ziel der Forschungen bei Hohenstein ist die kontinuierliche Verbesserung von Geweben und Textilien. Damit geben sie auch für den Bereich der Berufs- und Schutzkleidung sowie der PSA immer wieder innovative Impulse. Der Tragekomfort und die Leistungsfähigkeit heutiger Workwear sind ohne die Ergebnisse aus Hohenstein nicht denkbar. Über aktuelle Themen in der Forschung & Entwicklung sprachen wir mit dem zuständigen Geschäftsführer Dr. Timo Hammer.
Wear@Work: Workwear hat sehr viele unterschiedliche spezifische Anwendungsbereiche. Gibt es da überhaupt Möglichkeiten für grundlegende Innovationen?
Dr. Hammer: Ganz sicher, zahlreiche grundlegende Eigenschaften von Berufsbekleidung und PSA lassen sich noch optimieren. So weiß man zum Beispiel seit langem, dass der Tragekomfort maßgeblich Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Trägers hat. Je wohler sich eine Person in der Bekleidung fühlt, desto leistungsfähiger – körperlich und mental – ist diese Person. Hohenstein arbeitet derzeit aus unter- schiedlichen Perspektiven daran, den Tragekomfort von Berufsbekleidung zu verbessern. Dafür werden unter anderem neuartige Messmethoden entwickelt, die es erlauben werden, mehrschichtige Bekleidungssysteme hinsichtlich ihrer Wärmeisolation, Atmungsaktivität und Abtransport von Schweiß zu analysieren und auf Basis der Ergebnisse die Produkte und Materialzusammensetzungen zugeschnitten auf die jeweilige Anwendung zu optimieren. Denken Sie an Kälteschutzbekleidung für Arbeiten in Kühlhäusern. Hier sind auch anwendungsspezifische Bewegungsmuster zu berücksichtigen, die man z.B. über modernes 4D-Scanning erfassen kann. Die Erkenntnisse aus diesen Forschungsarbeiten lassen sich dann übrigens auch auf ganz andere Anwendungsbereiche übertragen, z.B. Schlafsäcke.
Stichwort Atmungsaktivität und Tragekomfort: viele Anwendungsbereiche sind schweißtreibend. Hat die Industrie mittlerweile eine wirksame Lösung gegen Schweißgeruch gefunden?
Das Thema Schweißgeruchs-Management durch Textilien ist deutlich komplexer als früher angenommen. Wir wissen heute, dass eine antimikrobielle wirksame Ausrüstung, z.B. mit Silber, zwar das Bakterienwachstum im Textil eindämmt, dies aber nicht zwingend zu weniger Schweißgeruch führt. Schweißgeruch wird durch Bakterien produziert, die unseren Hautschweiß verstoffwechseln. Im Textil kann ich das Bakterienwachstum kontrollieren, nicht aber auf unserer Haut. So wird permanent neuer Schweißgeruch gebildet und ins Textil abgegeben. Entscheidend ist daher, wie das jeweilige Material mit den Geruchsmolekülen umgeht. Wie gut haften diese an der Faseroberfläche? Wie gut lassen sie sich beim Waschen entfernen. Kann ich die Geruchsmoleküle neutralisieren oder vielleicht so festhalten, dass sie nicht an unsere Nase gelangen und daher auch nicht mehr riechbar sind?
Hohenstein hat in den letzten Jahren viel auf diesem Fachgebiet geforscht und aussagekräftige Testmethoden entwickelt, mit denen o.g. Fragen beantwortet werden können. Nach und nach kommen nun neue Technologien zum Geruchsmanagement auf den Markt, die neben den Bakterien auch das Verhalten der Geruchsmoleküle berücksichtigen. Wir dürfen also gespannt sein, ob das Thema Schweißgeruch in Zukunft vielleicht gelöst werden kann.
Können Sie auch Beispiele für ganz konkrete Anwendungen nennen, für die Hohenstein an Innovationen arbeitet?
Einige Projekte, die wir direkt mit Industriepartnern bearbeiten, sind vertraulich und dürfen hier nicht genannt werden, aber das Thema UV-Schutz für die Metallverarbeitung ist ein schönes Beispiel. Hier geht es darum, die Person, die schweißt, nicht nur wie bisher vor dem Lichtbogen zu schützen, sondern auch vor der UV-C-Strahlung, die beim Schweißen entsteht. Ein sehr wichtiges Thema, zu dem wir uns begleitend auch in der Normung engagieren. Ein weiteres konkretes Beispiel hat indirekt mit Workwear selbst zu tun. Es geht dabei um Schutzbekleidung aus dem Straßenbau und deren professionelle Wiederaufbereitung. In dem Projekt wurden Referenz-Waschverfahren zur Entfernung von Teer- und Bitumenflecken von Warnschutzkleidung entwickelt. Hier kommt uns zugute, dass Hohenstein seit Jahrzehnten sehr eng mit den gewerblichen Wäschereien zusammenarbeitet und eine breite Expertise zur Qualität von Waschprozessen vorhanden ist.
Wie kann denn der Handel oder der Endkunde wissen, welche Qualität ein Produkt hat und ob es sich für den geplanten Anwendungszweck überhaupt eignet?
Da sollte man sich zum einen beim Hersteller selbst informieren und auf dessen Produkthinweise achten. Eine gute Hilfestellung sind aber auch ausgelobte Qualitätsaussagen, die durch unabhängige Dritte bestätigt sind. Hohenstein vergibt z.B. seit Kurzem ein Qualitätslabel „Geprüfte Workwear“, bzw. „Geprüfte Corporate Fashion“. Berufsbekleidung, die so ausgezeichnet ist, erfüllt strenge Qualitätsanforderungen u.a. hinsichtlich Schadstoffgehalt, Farb- und Reibechtheiten, Maßbeständigkeit und Wasserabweisung. Zusätzlich können anwendungsspezifsche Qualitätskriterien belegt werden, wie z.B. die Passform, die Atmungsaktivität, der Schutz vor UV-Strahlung oder die Tauglichkeit für das Textilleasing.
„Textilleasing“ ist ein gutes Stichwort. Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts ist ja mit entscheidend, wie lange das Textil im Einsatz ist, also wie oft es wiederaufbereitet werden kann, richtig?
Ganz genau. Der Herstellungsprozess des Produkts ist ein wichtiger Nachhaltigkeitsfaktor, dessen Einfluss aber mit Auslieferung der Neu- ware endet. Danach sind eine möglichst lange Lebensdauer des Produkts selbst entscheidend und wie nachhaltig der Wiederaufbereitungsprozess ist. Leider stellen wir immer wieder fest, dass die Abstimmung zwischen Hersteller, Anwender und Wiederaufbereiter nicht immer optimal läuft. Hier helfen einheitliche Qualitätsstandards zur Leasingtauglichkeit der Berufsbekleidung, anhand derer alle Beeiligten beurteilen können, ob sich das Produkt für die gewünschte Anwendung und Lebensdauer eignet. Hohenstein hat solche Qualitätsstandards für die relevanten Produktgruppen schon vor vielen Jahren entwickelt und schult Unternehmen auch gezielt zu diesem Thema. Zudem bietet Hohenstein über seine Hohenstein Academy (www.hohenstein-academy.com) schon jetzt zahlreiche Online-Schulungen zu einer Reihe o.g. Themen an. Diese Schulungen eignen sich nicht nur für Mitarbeiter aus den Entwicklungsabteilungen der Hersteller-Unternehmen, sondern sind z.B. auch für den Handel interessant.
Abschließend noch eine Frage zum Thema „Smart Textiles“. Diese sind ja momentan in aller Munde und machen auch vor der Berufsbekleidung und PSA nicht Halt. Forscht Hohenstein auch an solchen Produkten?
Die Integration von Elektronik in Bekleidung bietet tatsächlich tolle neue Möglichkeiten, vor allem in Richtung Sicherheit und Komfort des Trägers, aber auch in Richtung Arbeitseffizienz. Hohenstein forscht hier immer wieder an konkreten Anwendungen, unser Schwerpunkt liegt aber tatsächlich mehr auf den „Begleiterscheinungen“, die man bei Smart Textiles beachten muss. Auf den Fachmessen sehen wir neue interessante Prototypen, bei denen aufwändige Elektronik in die Bekleidung integriert ist. Bei näherem Nachfragen stellt sich dann heraus, dass man das Produkt nicht oder nur mit sehr viel Aufwand waschen kann. Da kommen wir ins Spiel. Wie lassen sich die essentiellen Produktparameter Komfort, Passform, Funktion, Sicherheit und Wiederaufbereitung/Hygiene auf die neuen Produkte anwenden. Hier ist noch viel Forschungsarbeit nötig und ich freue mich auf die Entwicklungen der nächsten Jahre.
(Fotos: Hohenstein)